Der tschechische katholische Priester Bedřich Hoffman (Friedrich Hoffmann) legte als Zeuge im ersten Dachauer Prozess eine Sammlung von Aufzeichnungen vor, die bewiesen, dass 324 katholische Priester infolge von Malaria-Versuchen während ihrer Haft im Konzentrationslager |
Pfarrerblock, auch Priesterblock, wurden jene Baracken (euphemistisch: Wohnblocks) im nationalsozialistischen Konzentrationslager Dachau genannt, in denen Geistliche verschiedener Konfession und Nationalität, größtenteils aber katholisch bzw. polnisch, inhaftiert waren. Im KZ Dachau fasste das NS-Regime gegen Ende 1940 sämtliche Geistliche aus allen Lagern in mehreren Baracken zusammen.
Bis 1940[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Anfangs wurden nur vereinzelt reichsdeutsche Priester ins Lager eingeliefert und auch nur für kurze Zeit. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 überstellte die SS 14 österreichische Priester ins Lager. Beim Pfarrerblock handelte es sich wie bei allen Häftlingsblöcken im Lager Dachau um Holzbaracken mit der Grundfläche 100×10 Meter. Sie entsprachen dem damaligen Stand von Reichskasernen und hatten vier Räume, genannt Stuben. Diese wiederum waren in je einen Schlaf- und einen Tagesraum aufgeteilt. Jeweils für zwei Stuben standen ein Wasch- und ein Toilettenraum zur Verfügung. Jede Stube war für 52 Häftlinge eingerichtet. Der Pfarrerblock bestand später aus drei zusammenliegenden Wohnblöcken: Block 26, 28 und 30. Den anderen Häftlingen war der Zutritt zu dem Pfarrerbereich untersagt.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges gingen die Nationalsozialisten vor allem im besetzten katholischen Polen gegen Geistliche vor. Polnische Geistliche hatten großen Einfluss in ihrer Nation. Sie wurden aus ihrer Heimat nun fast gänzlich entfernt.[1] Der Vatikan und die reichsdeutschen katholischen Bischöfe intervenierten bald wegen der Haftbedingungen der katholischen Geistlichen. Die Nationalsozialisten machten daraufhin wie folgt Zugeständnisse.
Zentrale Zusammenlegung aus allen Lagern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
So begann die SS gegen Ende 1940 damit, alle Geistlichen, unabhängig von der Konfession, aus den Konzentrationslagern ins Lager Dachau zu überstellen. Die Geistlichen wurden in den drei nebeneinander liegenden Wohnbaracken Block 26, 28 und 30 untergebracht. Während die Häftlingsgruppe der katholischen Priester hinsichtlich ihrer Haftbedingungen Unterstützung ihrer Amtskirche erhielt,[2] fehlte den inhaftierten evangelischen Geistlichen, die vor allem der Bekennenden Kirche angehörten, entsprechende Unterstützung. Auf Seiten der Evangelischen Kirche in Deutschland bestand mit der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) weder eine einheitliche Kirchenleitung noch eine gemeinsame Haltung sämtlicher Landeskirchen und Gliederungen gegenüber dem Nationalsozialismus.[3]
Einrichtung einer Kapelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Januar 1941 wurde in Block 26, Stube 4, auf Befehl des RFSS Heinrich Himmler für die Geistlichen eine Kapelle eingerichtet. Vom 22. Januar an konnten die Geistlichen dort täglich Gottesdienst feiern.[4] Hierbei war jeweils ein SS-Wachmann zur Aufsicht anwesend. Der Altar bestand aus einem kleinen Tisch, der mit Bettlaken überspannt wurde. Darauf befanden sich ein winziger Kelch und eine hölzerne Monstranz, später eine schön anzusehende, selbstgemachte Monstranz aus Blech.[5] Später trafen Geschenke kirchlicher Vertreter von außerhalb ein.[6] Der Franziskaner Thaddäus Brunke schrieb großformatige Noten und Texte für den gregorianischen Gesang bei den Gottesdiensten, die bis zur Befreiung des Lagers in Gebrauch waren.[7]
Vorzugshäftlinge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Priester waren im Winter mit dem Schneeräumen beauftragt. In Holzschuhen fuhren sie Schubkarren mit Schnee oder trugen ihn auf Brettern vom Häftlingsgelände.[8] Im März setzte die SS viele auf der Plantage, im Freiland II, ein.
Ende März 1941 wurden sie von den Arbeitskommandos abberufen und mit der täglichen Verteilung des Essens im Lager beauftragt.[9] Ihre Wohnblocks teilte die SS nun mit Drahtzäunen ab, der Kontakt zu normalen Häftlingen war ihnen untersagt.
Ab dem 11. April 1941 erhielten alle Geistlichen eine größere Brotration und andere Vergünstigungen, zum Beispiel täglich einen Viertelliter Kakao, einen Viertelliter Messwein und einen Achtelliter Bier. Die Lebensmittelprivilegien wurden vom Vatikan finanziert. Einmal wöchentlich wurden die Priester gewogen, zweimal pro Woche nahmen sie ein Bad. Je eine Stunde vormittags und nachmittags teilte ihnen die SS „Bettruhe“ zu. Die Vergünstigungen kamen bei anderen Häftlingen und bei SS-Leuten nicht gut an. Die SS-Truppen waren nun z. B. darauf bedacht, dass die Geistlichen nur in ihrem Beisein das Bier austranken oder den Gottesdienst abhielten – und jeweils möglichst schnell.
Einerseits ermöglichte die Separierung die vom Vatikan für seine Geistlichen geforderten Hafterleichterungen. Andererseits wurden die übrigen Häftlinge dem Einfluss der Seelsorger entzogen. Die Privilegien waren mit Schikanen seitens der SS sowie Misstrauen und der teilweise tiefen Abneigung anderer Häftlinge gegen die „Pfaffen“ verbunden. Ihnen wurde vorgeworfen, arbeitsscheu zu sein. Im September 1941 entfiel das bessere Essen. Die restlichen Privilegien gestattete die SS von nun an nur noch deutschen und österreichischen Geistlichen.
Besondere Schikanierung der polnischen Geistlichen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 15. September 1941 wurden die deutschen und österreichischen Geistlichen auf Block 26 untergebracht, Block 26 war nun allein abgezäunt. Die SS verfügte, die Fenster der Kapelle weiß zu streichen, damit die Häftlinge keinen Einblick mehr hätten und Missgunst verringert würde. Die restlichen Geistlichen wurden in den beiden bald völlig überfüllten Blöcken 28 und 30 zusammengefasst. Diese zwei Pfarrerblöcke teilte die SS durch Abbau der Zäune und Wegfall der Privilegien wieder dem Gesamtlager zu. Wie andere Häftlinge durften diese vielen Geistlichen nun auch nicht in die Kapelle in Block 26.
Aufgrund der vorherigen Privilegien sahen sich die polnischen katholischen Geistlichen nun der Missgunst anderer Häftlinge ausgesetzt und bekamen verstärkt Erniedrigungen zu spüren. Sie standen unter der Aufsicht des radikalen Lagerkapos Hentschel, wurden aber noch in den besseren Arbeitskommandos eingesetzt. Die Sterblichkeitsrate der polnischen Geistlichen stieg, viele wurden auch als Invaliden nach Hartheim deportiert und dort getötet. Da sie nicht in normalen Kommandos arbeiteten, wurden sie als arbeitsscheu betitelt, als unnütze Esser betrachtet, und verstärkt für medizinische Versuchsreihen ausgewählt. Zu Ostern 1942 mussten sie in der Karwoche aufgrund von Kleinigkeiten wegen Schikane durch die SS einige Tage hindurch strafexerzieren, auch bei Schneeregen. Der Einkauf in der Kantine wurde ihnen verboten. Bei dem polnischen Geistlichen Stanisław Wierzbowski (* 1897) wurden in diesen Tagen im Wohnblock 700 $ gefunden. Er wurde mit 25 Schlägen und 42 Tagen Arrest bestraft und starb an den Folgen der Misshandlung.
Im April wurde die Diskriminierung der polnischen und litauischen Geistlichen gegenüber den restlichen Geistlichen verschärft. Andere Geistliche durften ab nun wieder die Kapelle aufsuchen – im Block 26 bei den deutschen und österreichischen Geistlichen. Die große Anzahl der polnischen hingegen durfte dies nicht. Sie wurden stattdessen den normalen Arbeitskommandos zugeteilt. Insgesamt verstarb fast die Hälfte der inhaftierten polnischen Geistlichen.
Tauschhandel mit Paketen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ein Umschwung kam erst Ende 1942, als die Beschränkung bei Paketen aufgehoben wurde. Priester, vor allem polnische, bekamen mehr Pakete als andere, da sie auch von ihren Pfarrgemeinden bedacht wurden. Vor den Pfarrerblocks bildeten sich nun Reihen von Bittstellern, viele waren russische Häftlinge, die nie Pakete aus der Heimat erhielten. Durch den Tauschhandel konnten polnische Geistliche nun wieder in bessere Kommandos gelangen.[10]
Gesamtzahl und Todesfälle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Insgesamt waren während der zwölf Jahre 2.720 Geistliche inhaftiert; 132 wurden in andere Lager verlegt oder evakuiert, 314 wurden entlassen, 1.034 verstarben im Lager. Am Sonntag, dem 29. April 1945, wurde das Lager Dachau befreit, unter den Häftlingen waren 1.240 Geistliche.[1]
Geistliche nach Nationen (Todeszahlen in Klammern):[1]
- 1.780 Polen (868), 4 verlegt/evakuiert, 78 entlassen, 830 befreit;
- 447 Deutsche und Österreicher (94), 100 verlegt/evakuiert, 208 entlassen, 45 befreit;
- 156 Franzosen (10), 4 verlegt/evakuiert, 5 entlassen, 137 befreit;
- 109 Tschechen (24), 10 verlegt/evakuiert, 1 entlassen, 74 befreit;
- 63 Holländer (17), 0 verlegt/evakuiert, 10 entlassen, 36 befreit;
- 50 Jugoslawen (4), 6 verlegt/evakuiert, 2 entlassen, 38 befreit;
- 46 Belgier (9), 3 verlegt/evakuiert, 1 entlassen, 33 befreit;
- 28 Italiener (1), 1 verlegt/evakuiert, 0 entlassen, 26 befreit;
- 16 Luxemburger (6), 0 verlegt/evakuiert, 2 entlassen, 8 befreit;
- vereinzelt: 5 Dänen, 2 Albaner, 2 Engländer, 2 Griechen, 3 Litauer, 1 Norweger, 1 Rumäne, 1 Spanier, 2 Schweizer, 3 Ungarn, 3 Ohne Staatsangehörigkeit.
Übersicht über die Glaubensrichtungen:
- 2.579 katholisch
- 109 evangelisch
- 22 griechisch-orthodox
- 8 altkatholisch
- 2 muslimisch
Mangold-Thoma-Liste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Franziskanerpater Petrus Mangold († 1942 in Dachau) fertigte zusammen mit Pfarrer Emil Thoma aus Eppingen bis zum 3. Mai 1942 in der Lagerhaft von Dachau eine Liste aller ihnen als dortige KZ-Häftlinge bekannten katholischen und evangelischen Geistlichen an. Sie konnte über Kuriere außerhalb des KZ Dachau gebracht werden. Die Berichte und Listen erbte die Lehrerin Mathilde Meny, die die Urheberrechte an den Pfarrer und einstigen Mithäftling Eugen Weiler übertrug. Dieser veröffentlichte die Liste in Zusammenarbeit u. a. mit Georg Schelling, Richard Schneider und Anton Bornefeld unter dem Titel Die Geistlichen in Dachau sowie in anderen Konzentrationslagern und Gefängnissen, Nachlaß von Pfarrer Emil Thoma, erweitert und herausgegeben von Eugen Weiler, 1971.
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